Liest man den Artikel zu Bruno Gröning1 auf Wikipedia, so wird schnell deutlich, dass er dazu dient, diese Person in ein schlechtes Licht zu rücken. Eine genauere Nachprüfung der Inhalte ergibt, dass die Darstellung über Bruno Gröning zudem in fast allen Teilen falsch ist. So etwas stört mich ungemein. Außerdem widerspricht eine solche Art der Darstellung dem Ziel einer Enzyklopädie.
Wikipedia bezeichnet sich als freie Enzyklopädie. Der Begriff „Enzyklopädie“ kommt von mittellateinisch encyclopaedia “Grundlehre aller Wissenschaften und Künste” und von griechisch enkyklios paideia “Kreis der Bildung“ oder „Gesamtheit des Wissen“ und bezeichnet die schriftliche und komplexe Darstellung des gesamten Wissens oder des Wissens eines Fachgebietes. Nach heutigem Verständnis ist eine Enzyklopädie ein umfangreiches Nachschlagewerk in lexikalischer Form, das über alle Wissensgebiete informiert.2 Die Bezeichnung „frei“ impliziert, dass dieses Werk unabhängig von Vorgaben einer anderen Institution oder eines anderen Unternehmens, etc. ist.
Weiterhin gibt Wikipedia unter anderem in ihren grundlegenden Richtlinien an: „Schreibe neutral3 und sachlich: Beschreibe den Sachverhalt und nicht deine persönliche Meinung. Vermeide es, einen politischen, religiösen oder anderen nicht neutralen Standpunkt einzunehmen.“4 Außerdem wird angegeben: „Alle deine Aussagen in einem Artikel müssen ausreichend belegt sein! Du kannst deine Quellen entweder am Ende des Artikels unter den Abschnitten „Literatur“ oder „Weblinks“ angeben, oder durch Fußnoten im Text einbauen (…)“5
Wikipedia erscheint damit als eine unabhängige Plattform, die nach wissenschaftlichen und sachlichen Kriterien arbeitet.
Der Artikel über Bruno Gröning enthält explizite und implizite Beleidigungen und Verächtlichmachungen und ist schon damit alles andere als sachlich. Darüber hinaus nimmt er nach den eigenen Grundregeln einen nicht neutralen Standpunkt ein, indem er im gesamten Habitus das Sektenbild der Amtskirchen vertritt, also einen religiösen Standpunkt, anstatt einer objektiven Darstellung vermittelt. Dass die Bezeichnung „Sekte“ von den offiziellen Kircheninstitutionen verwendet wird, um jegliche Person, Gemeinschaft oder Impuls, die sich nicht der Autorität der Kirche unterwerfen und damit unabhängig machen, zu diskreditieren, ist mehr als offensichtlich. Dieser Artikel hat offenbar nur Folgendes zum Ziel: Desinformation und Diffamierung.
Beispielsweise wird angeführt, dass die „Gröningkugeln, eigroße Kugeln aus Stanniolpapier, die auf Versammlungen verteilt wurden“ nach einer Aussage von Otto Meckelburg Haare, Blutstropfen oder Fußnägel von Gröning enthielten (eine typische Verunglimpfung, die durch die Kirche schon zu Zeiten der Hexenverfolgung angewendet wurde). Otto Meckelburg ist jedoch als Zeuge absolut unglaubwürdig, er hatte Spendengelder in hohen Summen veruntreut und fiel mit mehreren Falschaussagen vor Gericht auf6. Er hatte einen schlechten Leumund mit seiner Vergangenheit als SS-Inspektor von nationalsozialistischen Konzentrationslagern7. Und er hatte ein eindeutiges Rachemotiv gegenüber Bruno Gröning, da dieser ihn wegen der veruntreuten Spendengelder konfrontiert hatte, was sich deutlich in folgender Aussage zeigt: „Den Gröning werde ich schon kleinkriegen – ich breche ihm alle Gräten.“8.
In dem Buch von Dr. jur. Wolfgang Hausmann „Der große Prozess gegen Bruno Gröning. 1955-1959“ wird rechtlich dargelegt, dass Bruno Gröning nach geltender Rechtsprechung in der 3. Instanz hätte freigesprochen werden müssen. Aufgrund seines Todes am 26.1.1959 wurde der Prozess jedoch ohne Revisionsurteil beendet. Demnach hat Bruno Gröning nicht mit einer unerlaubten Heilbehandlung gegen das Heilpraktikergesetz verstoßen und er wäre auch vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung freizusprechen gewesen9.
Alle diese Zusammenhänge erscheinen aber in dem Artikel nicht. Andernfalls könnte die Diffamierung Bruno Grönings als ein gefährlicher „Quaksalber“ und dubioser Sektenführer, der der fahrlässigen Tötung überführt wurde, nicht mehr aufrechterhalten werden.
Aus der Diskussionsseite zum Artikel über Bruno Gröning10 und dem dazugehörigen Archiv ist ersichtlich, dass es über viele Jahre verschiedenste Versuche von mehreren Personen gab, falsche und tendenziöse Aussagen in dem Artikel zu berichtigen. Diese wurden entweder einfach nicht beachtet oder lediglich mit beleidigenden Kommentaren beantwortet. Seit November 2014 prangt an oberster Stelle der Diskussionsseite unter der Überschrift „Gibt es etwas an dem Artikel zu ändern?“ die unwahre Aussage, der Artikel wäre so vollständig, wie er nach momentaner Sachlage sein könne und es gäbe deshalb keinen Grund, etwas an dem Artikel zu ändern.11 Es kommt hier deutlich zum Ausdruck, dass jeglicher weiterer Versuch einer Richtigstellung von falschen Aussagen abgeschmettert wird. Die Quellen, auf denen der Artikel basiert, bestehen jedenfalls aus einer äußerst einseitigen Auswahl von kirchlichen Schriften und Internetseiten von kirchlichen Sektenstellen und von Zeitungsberichten. Kirchliche Institutionen sind mit ihrem religiösen Allmachtsanspruch naturgegeben nicht neutral, wenn sie Menschen oder Gruppierungen als Sekten bezichtigen. Die meisten Bücher über Bruno Gröning werden nicht in den Artikel mit einbezogen. Insbesondere das von mir hier angeführte Buch von Dr. jur. Wolfgang Hausmann von 2009, das eine streng wissenschaftliche Analyse der juristischen Sachlage enthält, wird nicht beachtet. Aus diesem Grund liegt in diesem Artikel alles andere als eine vollständige Darstellung der Sachlage vor.
Die Regeln der Wikipedia werden in diesem Artikel nicht eingehalten, da kein neutraler und sachlicher Standpunkt eingenommen wird, sondern stattdessen ein religiöser. Es wird zwar auf den ersten Blick der Anschein erweckt, dass alle Aussagen des Artikels im Sinne eines wissenschaftlichen Arbeitens belegt sind, doch widerspricht es jeglicher Form des wissenschaftlichen Arbeitens, wenn – wie hier der Fall – wesentliche vorliegende Erkenntnisse, die der persönlichen Meinung bzw. dem Bild, das der oder die Autoren schaffen möchten, widersprechen, einfach weggelassen werden. Solch ein Artikel entspricht allem anderen als einer „freien Enzyklopädie“. Die freie Enzyklopädie Wikpedia wird mit diesem Artikel vielmehr als eine „Desinformations- und Diffamierungsplattform im Namen der christlichen Amtskirchen“ missbraucht. Es wird nicht nur Bruno Gröning diffamiert, sondern auch der gute Ruf von Wikipedia geschädigt.12
Interessanterweise war die ursprüngliche Version des Artikels neutral und sachlich gehalten und zeigte die verschiedenen Standpunkte bezüglich Bruno Gröning auf. Die älteste Version, die sich unter Versionsgeschichten finden lässt, ist vom 15.11.2005, 23:02 Uhr.13 Sieht man sich vergleichend die verschiedenen Versionen der folgenden Jahre bis heute an, so ist zu beobachten, wie die ursprüngliche Neutralität und Sachlichkeit des Artikels Stück für Stück in eine völlig tendenziöse, von der kirchlichen Sicht geprägte, verleumderische Darstellung, die jeglicher Wissenschaftlichkeit entbehrt, umgewandelt wurde.
Rita Egger
Fußnoten:
1 Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Bruno_Gröning, 29.4.2018.
2 Vgl. https://www.wortbedeutung.info/Enzyklopädie/, 29.4.2018.
3 Eine sehr gute Beschreibung und Erläuterung, wie ein neutraler Standpunkt (eines der unveränderlichen Grundprinzipien der Wikipedia) in einem Artikel gewahrt bleibt, findet sich unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Neutraler_Standpunkt, 30.04.2018.
4 https://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Tutorial/1, 29.4.2018.
5 https://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Tutorial/3, 29.4.2018.
6 Vgl. Dr. jur. Wolfgang Hausmann: Der große Prozess gegen Bruno Gröning. 1955-1959, S. 94 ff.
7 Vgl. ebda. S. 108 + 203.
8 ebda. S. 107/108.
9 Vgl. ebda. S. 203, S. 123/124.
10 Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Diskussion:Bruno_Gröning, 29.4.2018.
11 Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Diskussion:Bruno_Gröning, 29.4.2018.
12 Obwohl viele sachliche und wissenschaftlich gut ausgearbeitete Artikel auf Wikipedia zu finden sind, gibt es vor allem zu Personen häufiger Artikel diskreditierenden und diffamierenden Inhalts. Diesbezüglich ist auch das meines Erachtens sehr gut recherchierte und interessante Youtube-Video „Die dunkle Seite der Wikipedia“ empfehlenswert: https://www.youtube.com/watch?v=wHfiCX_YdgA&t=23s, 30.4.2018.